Mein Fernseher ging nicht mehr! Eine Zeitlang konnte ich ihn noch zum Anspringen bewegen, indem ich den Netzstecker herauszog und in umgekehrter „Polung“ wieder einsteckte.
Die Anzahl der Umpolungen stieg mit der Zeit an, bis er wieder seinen Dienst aufnahm und es kam, wie es kommen musste, irgendwann nutzte auch das nix mehr, der Bildschirm blieb schwarz.
Der deutsche Fernsehmechaniker, Ramon aus Sosua, meinte nur dazu. „Ja, Christian , das passiert, wenn man den Fernseher lange Zeit ganz ausschaltet, also nicht auf Standby anlässt, dann trocknen die Kondensatoren aus.“
Da Ramon aber inzwischen nur noch Computer reparierte und nicht mehr Elektrogeräte aller Art, musste ich eine Werkstatt finden, welche den Schaden beheben könnte.
Aus vergangen Besuchen von verschiedenen dominikanischen Elektronik Reparatur Werkstätten war die Frage nur allzu berechtigt, ob es nicht gleich mehr Sinn mache, den Philips „Röhre“, Brasilianischer Lizenz und Herstellung, der ja immerhin ca. 10 Jahre alt war, besser gleich wegzuwerfen und eine neue Glotze zu erwerben.
So vergesse ich nie das Bild, wie ein ca. 12 jährige Knabe auf dem Badewannenrand saß ( eine große, namhafte Firma hier in Sosua )und eine große TV Platine unter fließendem Wasser mit einer Wurzelbürste kräftig abschrubbte. Oder wie mein Freund Miguel , der günstig ein TV Gerät aus einer Compra -Venta ( Pfandleihanstalt) erworben hatte und als das Gerät nicht ging , es öffnete und sah, daß die Haupt-Platine u.a. mit einem Kleiderbügel aus Draht repariert worden war.
Durch Zufall wurde mir dann beim sonntäglichen „Kaffeekränzchen“ die TV Reparaturwerkstatt „Ghandi und Sohn“ wärmstens empfohlen und mir auch gleich eine Mitfahrgelegenheit in der kommenden Woche angeboten, die ich dankbar annahm.
Die Mitfahrgelegenheit war mein großes Glück, denn nach einer Wegbeschreibung hätte ich „Ghandi und Sohn“ wahrscheinlich nie gefunden. Immerhin tuckerten wir jetzt schon 20 Minuten übers Land fernab jeder Zivilisation.
Nach dem 3 ten Abbiegen, wir fuhren durch eine „Bilderbuchlandschaft“ einen Hügel hoch, sah ich etwas, das wie ein modernes Kunstwerk aussah. Neben einem einzelnen, dominikanischen Holzhaus waren 2 Berge aufgetürmt. Der eine Berg bestand aus leeren Fernseher Gehäusen, der andere aus Elektronik Platinen. Beides wirkte im krassen Gegensatz zu der ländlichen Idylle.
Neben dem Holzhaus war ein einfacher Schuppen Anbau mit einer Theke, an die wir nun herantraten, um unser Anliegen vorzutragen. In diesem Moment hatte ich meine persönliche Erleuchtung, stand ich doch tatsächlich dem wiedergeborenem Mahatma Ghandi gegenüber, so wie ich ihn von Foto her kannte! Die einzige Abweichung! Dieser Ghandi hier hatte gleich 2 Brillen übereinander auf seiner Nase.
Klar hatte man mir auf Nachfragen vorher gesagt, der Typ sähe halt aus wie Ghandi, aber dies hier war eindeutig Mahatma Ghandi höchstpersönlich!
Da Ghandi tot war, war die einzig, mögliche Erklärung, dass er als dominikanischer Fernsehmechaniker wiedergeboren worden war. Ich bereute es, nicht ein einziges Wort Hindi zu sprechen, weil ich gerne gesehen hätte, ob er mir auf Ansprache auf Hindi ein kleines Zeichen des Verstehens gegeben hätte, ein unmerkliches Nicken vielleicht oder kleines Lächeln, irgendein winziges Zeichen, dass er es wirklich war. Im Hintergrund werkelte sein Sohn, der ihm aber nicht sehr ähnlich sah.
Nachdem ich mich gefangen hatte und Ghandi mein Problem erläutert hatte, nahm sich Ghandi sofort der Reparatur meines Fernsehers an. Er zeigte mir, das Phillips spezielle Schrauben verwandt hatte, die verhindern sollten, das man das Gerät überhaupt öffnen könne. Hier sollte neu gekauft und nicht repariert werden. Ghandi lächelte weise und kramte einen alten kleinen Kreuzschlitzschraubenzieher aus einer Holzkiste und sein Sohn Ghandi jr. schleifte auf einer Scheifmaschine daraus ein Spezial Schraubenzieher zurecht speziell zum Öffnen dieses Gehäuses.
Die beiden wirkten und arbeiteten in totaler Harmonie. Ghandi suchte aus alten Schrottplatinen 2 entsprechende Kondensatoren aus, welche der Junior aus- und einlötete, während der Meister selbst durch seine 2 Brillen die Arbeit aufmerksam verfolgte. Aus einem uralten, offenen Röhren Radio im Hintergrund lief ganz leise dominikanische Bachata Musik. Ghandi, der Meister selbst, schraubte das Gerät anschließend mit ganz gewöhnlichen Kreuzschlitzschrauben wieder zusammen und lächelte mich listig an. „So“, sagte er, „damit haben wir die Fabrik überlistet! Jetzt kann man das Gerät jederzeit auch wieder öffen!“ Als misstrauischer Gringo bestand ich natürlich auf einer Funktionsprobe. Ghandi lächelte wieder. Er war sich seiner Sache ganz offensichtlich völlig sicher. Er steckte ein und schaltete ein und…..der Fernseher lief einwandfrei.
Ich habe den Betrag von 200 Pesos ( damals ca. 6 EUR ) bezahlt und das Gerät läuft noch heute, nach 3 weiteren Jahren, absolut störungsfrei.
Öfter denke ich noch an diesen schöne Fahrt zu „Ghandi und Sohn“ und wissen Sie was?
Ich glaube, ich habe das alles nur geträumt und wenn ich diesen Ghandi nun suchen würde, würde ich den nie wieder finden, weil es den nie wirklich gegeben hat. Ich habe noch mehr an diesem Nachmittag gelernt. Indische Weisheiten können nicht nur irgendwelche „Kalendersprüche“ sein, sondern auch eine günstige TV Schnell Reparatur. Wieso Ghandi, als dominikanischer Fernsehmechaniker wiedergeboren wurde, ist für mich schwer nachzuvollziehen, aber er wirkte für mich in völliger Harmonie mit seinem einzigen Sohn, hier im Hinterland ( Campo )von Sosua Abajo, dort wo wir die Hauptverkehrstrasse verlassen hatten. Es wird wahrscheinlich sein eigener Herzenswunsch gewesen sein, fernab von Indien als Fernsehmechaniker wiedergeboren zu werden, und da er ja im „Vorleben“ nur Gutes getan hat, wird ihm dieser Wunsch erfüllt worden sein.
Einige davon sind bei uns nachzulesen. Das ganze Buch kann überAmazon bezogen werden.

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