23 August 2014

Der Erzbischof bezahlte Kindersex mit Medikamenten

Erzbischof Wesolowski 
Dominikanische Republik / Vatikan.

Als Botschafter des Papstes in der Dominikanischen Republik soll Erzbischof Wesolowski jahrelang Jungen missbraucht haben. Doch der Bischof läuft frei in Rom herum - vom Vatikan geschützt.

Er hatte schon ein paar Bier getrunken, als er durch die Rotlichtviertel von Santo Domingo zog, genügend Geld in der Tasche, auf der Suche nach schnellem Sex. Er suchte nach ganz jungen Männern, er suchte nach Kindern. Er nannte sich nur "Josie". Viele wussten dennoch, wer er war: Der Botschafter des Heiligen Stuhls, der vatikanische Nuntius, vom Papst in die Dominikanische Republik entsandt – der polnische Erzbischof Josef Wesolowski.

Im Schatten der ältesten katholischen Kathedrale Amerikas betrieb er jahrelang sexuellen Missbrauch. Gemeinsam mit dem polnischen Pater Wojciech Gil soll er sich mit jungen Messdienern in seinem Haus am Strand vergnügt haben. Zwei weitere Geistliche aus seiner Botschaft stehen unter Verdacht, Frauen und Kinder zum Sex gezwungen haben. Ein dominikanischer TV-Sender soll Wesolowski dabei gefilmt haben, wie er ein Kinderbordell in Santo Domingo betrat.

Inzwischen ist der 66-jährige Wesolowski Amt, Würde und auch den Stand des Geistlichen los. Papst Franziskus rief ihn schon 2013 von seinem Posten als Botschafter des Heiligen Stuhls ab. Im Juni wurde er offiziell aus dem Priesterstand entlassen. Der Vatikan hat zudem angekündigt, ihm wegen der "weltlichen" Verbrechen, die er begangen hat, den Prozess zu machen.

Den Menschen in der Dominikanischen Republik ist das nicht genug. Weder die gläubigen Katholiken noch die Justiz des Karibikstaates können begreifen, warum Wesolowski nicht in dem Land zur Rechenschaft gezogen wird, in dem er seine Straftaten verübt hat. Die Wellen der Empörung schlagen hoch, wenn in der Dominikanischen Republik die Rede auf Josef Wesolowski kommt.


Unter der Statue eines Mönches lauerte er ihnen auf

Staatsanwältin Yeni Berenice Reynoso, die bereits vor einem Jahr offiziell ihre Ermittlungen gegen den einstigen Nuntius des Papstes aufgenommen hatte, fordert nach einem Bericht der "New York Times" jetzt: "Diese Kinder sind missbraucht worden. Die Öffentlichkeit fordert, dass ihm hier der Prozess gemacht wird, nicht als Diplomat, sondern als Mann."

Und die Fassungslosigkeit über die Tatsache, dass Wesolowski nicht vor ein Gericht in Santo Domingo gestellt wird, wächst, je mehr Details aus dem Fall an die Öffentlichkeit dringen. Schon die Gerüchte um ihn hatten den Papst vor einem Jahr zu eiligem Handeln getrieben. Nun gibt es handfeste Zeugenaussagen.

Mesolowski war als "Der Italiener" unter den jungen Männern und Kindern bekannt. Auf einer Bank, nicht weit von der Statue des spanischen Mönches Antonio de Montesinos, soll er ihnen aufgelauert haben. Zuerst wollte er ihnen nur beim Masturbieren zusehen.


Der Junge, der unter Epilepsie leidet

Ein junger Mann, heute 17, berichtet, wie er den Bischof dort 2010 erstmals getroffen hatte. Damals verdiente er 1,50 Dollar fürs Schuhe putzen. Vom "Italiener", den er "Josie" nannte, bekam er später für seine Sexspiele bis zu 135 Dollar.

Der Bischof soll auch einen Elfjährigen dazu gebracht haben, sich vor ihm selbst zu befriedigen. Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft von Santo Domingo vier Jungen zwischen zwölf und 17 Jahren ausfindig gemacht, die aussagen, von Wesolowski für sexuelle Handlungen bezahlt worden zu sein.

Besonders Perfide ist der Fall des heute 17-Jährigen. Er leidet unter Epilepsie. Seit er 13 war, stand er im sexuellen Kontakt zu Wesolowski – der ihn für seine Dienstleistungen mit Medikamenten bezahlte und so nicht nur die Armut des Jungen, sondern auch dessen Krankheit ausnutzte.


"Wir haben Gott gelästert"

Nachdem Wesolowski merkte, dass ihm ein Fernsehreporterteam auf der Spur war, soll er eine neue Strategie gefunden haben, um an Jungen zu kommen: Er beauftragte einen jungen Diakon, ihm junge Sexualpartner zu vermitteln. Der Diakon sitzt heute in Haft, In einem an die Öffentlichkeit gelangten Brief an Wesolowski zeigt er Reue und schreibt: "Wir haben Gott gelästert." Kirchliche Anstrengungen, den Diakon per Kaution aus der Haft zu bekommen, gab es nicht.

Dem Vatikan wird jetzt vorgeworfen, Wesolowski zu früh aus der Dominikanischen Republik geholt zu haben. Ganz offensichtlich reiste der einstige Bischof sogar mit falscher Identität und machte einen Umweg über Haiti, um Spuren zu verwischen – die Ermittler konnten keinen Flugpassagier mit seinem Namen finden. Eine Auslieferung ist kompliziert: Wesolowski ist Staatsbürger im Vatikan und sein Strafverfahren dort ist noch nicht abgeschlossen.

Das vorläufige Urteil fällte der Gerichtshof bei der Kongregation für Glaubenslehre am Vatikan, der der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller vorsteht, Ende Juni. In diesen Tagen läuft die zweimonatige Frist für einen Einspruch von Seiten des verurteilten Wesolowski ab. Die vatikanische Staatsanwaltschaft kann ein Strafverfahren gegen ihn anstrengen, sobald das Urteil der Glaubenskongregation rechtskräftig wird – es wäre der erste Strafprozess wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger.


In Polen drohen ihm zwölf Jahre Haft

Auch Polen drängte darauf, Mesolowski der eigenen Justiz zu überstellen. In seiner Heimat könnte der ehemalige Bischof für das Verbrechen zwölf Jahre hinter Gitter gehen. Doch auch gegenüber Polen weigert sich der Vatikan, Wesolowski auszuliefern.

Wie gegenüber der Dominikanischen Republik begründet der Vatikan das damit, dass Wesolowski Bürger des Vatikanstaates ist und das vatikanische Strafrecht keine Auslieferung zulasse.

Der päpstliche Botschafter hatte sein Amt einem polnischen Mitbürger Karol Wojtila zu verdanken. Als Papst Johannes Paul II., inzwischen heilig, hatte der ihn in päpstliche Nuntiatur berufen. Nach Stationen in Südafrika und Europa kam Mesolowski 2008 in die Karibik.

Der Vatikan gibt keine Auskünfte darüber, wo sich Wesolowski aufhält, wann sein Prozess beginnt. Und auch die Frage, ob er auf freiem Fuß sei, bleibt offiziell unbeantwortet. Ein Bischof aus der Dominikanischen Republik will ihn kürzlich in Rom gesehen haben. "Er spazierte in der Via della Scrofa", zitiert ihn die "New York Times" – nur wenige hundert Meter vom Vatikan entfernt.

Papst Franziskus fährt offiziell seit seinem Amtsantritt eine harte Linie gegenüber Missbrauchsfällen. Er hat "Null Toleranz" gegenüber Geistlichen angekündigt, die sich an Minderjährigen vergangen haben und betont, dass Priester mit keinerlei privilegierter Behandlung rechnen könnten. Dass der Vatikan jetzt einen mutmaßlichen Täter in einem der dramatischsten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche schützt, wird für etliche Gläubige mehr als ernüchternd sein.

© Axel Springer SE 2014. Alle Rechte vorbehalten

Keine Kommentare: